Textende KI: Schreibmaschine, Sparringspartnerin, Spinnerin

KI und ich

Textende KI: Schreibmaschine, Sparringspartnerin, Spinnerin

von Tanja Deuerling

Ich schreibe, also bin ich. Ich schreibe, wenn ich meine Gedanken sortieren will. Wenn ich etwas lerne, muss ich es mit eigenen Worten aufschreiben, damit ich es auch wirklich verstehe. Überall liegen bei mir echte und digitale Zettel herum, Tagebücher, Hefte, Posts. Ich verdiene als Medienfrau mit Schreiben mein Geld, ich schreibe Konzepte, Berichte, ich habe meine Doktorarbeit geschrieben und verfasse Artikel. Dass KI schreiben kann, ist für mich existenziell. Wie gehe ich also damit um, dass sich KI in meiner Domäne immer mehr ausbreitet?

Seit einiger Zeit habe ich immer ChatGPT an meinem Computer geöffnet. Neuerdings haben sich noch Claude und LLaMa dazugesellt. Das ist faszinierend und gruselig zugleich, aber inzwischen habe ich mich mit meinen künstlichen Kolleginnen angefreundet. Wenn ich konkrete Fragen habe, irgendetwas recherchiere, Inspiration brauche, nach Textvorschlägen oder Headlines suche, frage ich unterschiedliche Bot. Manchmal gebe ich irgendetwas ein, weil mir langweilig ist oder mir nichts einfällt. Meine Kolleginnen sind einfach immer da, superschnell und mit erstaunlichem Output auf Tastendruck in den unterschiedlichsten Stilen.

Allerdings spinnen sie ab und zu und spucken jede Menge wirres Zeug aus. Das liest sich oft erst ganz gut, aber bei genauerem Hinsehen ist es ausgemachter Blödsinn, verpackt in gefälligen Textblasen. Diese „Halluzinationen“ sind schräg, aber irgendwie beruhigen sie mich ein bisschen. Sie bestärken meine Überzeugung, dass ich nicht nur besser schreibe, sondern unersetzlich bin. Ich weigere mich aus Prinzip, ganze Text zu übernehmen. Aber vielleicht ist das nur meine eigene Überheblichkeit?

Aber lassen wir meine kleine Welt des Schreibens beiseite und schauen, wie gut generative KI-Systeme im beruflichen Kontext schreiben und wie wir als Journalist:innen, Kreative und Medienmacher:innen sie nutzen können. Mit dem Hype um ChatGPT sind andere Textgenerator in den Hintergrund gerückt, die bestimmte Arten von Schreiben vollständig ersetzen können: Die Data-to Text-Systeme.

Data-to-Text-Systeme kennen viele vom sogenannten „Roboter-Journalismus“. Hier werden strukturierte Daten wie Sportergebnisse oder Wetterprognosen automatisch in Texte umgewandelt. Die verwendeten Algorithmen verbinden die Analyse von Daten mit festgelegten Regeln und Sprachsteuerung. Das heißt, vereinfacht ausgedrückt:  Daten eingeben, Regeln definieren wie Struktur, Grammatik, Wortwahl, und die Ergebnisse sind Texte.

In kürzester Zeit können Data-to-Text Systeme, z.B. Wordsmith, Quill oder AX Semantics, unzählige Daten verarbeiten und riesige Mengen an Texten für unterschiedliche Zielgruppen und in allen Sprachen genieren. Sie sind zwar nicht besonders kreativ, aber sie sind verlässlich – und sie übernehmen Aufgaben, auf die sowieso niemand Lust hat. Echte Schreibmaschinen, die genau das tun, was man ihnen aufträgt.

Im Gegensatz dazu kann generativen Systemen, von denen ChatGPT das Prominenteste ist, eine – wenn auch künstliche – Eigensinnigkeit unterstellt werden. Sie können menschliche Interaktion so gut simulieren, dass man von einem echten Dialog zwischen Menschen und Maschine reden kann. ChatGPT „versteht“ Kontexte, „lernt“ von den direkten Fragen und „erinnert“ sich daran. Es simuliert Intelligenz viel besser als Data-to-Text Generatoren: ChatGPT, Claude und LLaMa setzen gespeicherte Inhalte und gelernte Muster so zusammen, dass man die Ergebnisse nicht vorhersehen kann. Die Texte sind immer einzigartig, neu und irgendwie kreativ.

Das heißt aber auch, als Anwenderin habe ich keine Kontrolle über den erzeugten Inhalt und muss genau prüfen, was aus der Menge an Daten zusammengebastelt wurde. Neben genialen Inspirationen und fluffigen Texten kommt mitunter ziemlich viel Unsinn heraus. Nicht umsonst befindet sich auf der Chat-Seite von GPT4 die Fußnote: „ChatGPT can make mistakes. Consider checking important information.“

Wer wie ich mit Texten und Schreiben zu tun hat, wird sich früher oder später mit KI auseinandersetzen. Ich jedenfalls finde es großartig, dass man langweile Routine-Aufgaben nicht mehr selbst schreiben muss. Ich genieße es auch, nicht ganz allein am Schreibtisch zu sitzen, sondern meine künstlichen Sparringspartnerinnen zu haben. Wir sind ein gutes Team, und ich kennen ihr Stärken und Schwächen. Sie können mich noch nicht ersetzt. Aber sie unterstützen mich dabei, das zu schreiben, auf das ich wirklich Lust habe: Neue Ideen, kreative Formate … und manchmal auch nur wirres Zeug.

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